Ökonomen-Barometer von €uro am Sonntag steigt weiter. Vor allem der Ausblick hellt sich auf.
Von Wolfgang Ehrensberger
Trotz politischer Krisen und zunehmender Volatilität an den Finanzmärkten blicken Wirtschaftsexperten und Unternehmen optimistischer auf die deutsche Wirtschaft. Das Ökonomen-Barometer von €uro am Sonntag, eine Exklusiv-Umfrage unter führenden Volkswirten, hat im April seinen Anstieg vom Vormonat fortgesetzt und beschleunigt.
Prognose klettert um 23 Prozent
Demnach stieg der Barometerwert für die Einschätzung der aktuellen
wirtschaftlichen Lage um 12,4 Prozent auf 31,8 Punkte. Die Prognose für die kommenden zwölf Monate hellte sich um 23,3 Prozent auf 29,1 Punkte auf. Beide Werte hatten sich bereits in der März-Umfrage
verbessert, allerdings nur im einstelligen Prozentbereich. Auch der ZEW-Indikator, eine monatliche Umfrage des Mannheimer Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung unter Börsenprofis, hat im April deutlich
zugelegt. Das Barometer für die Erwartungen in den kommenden sechs Monaten kletterte auf 42,9 (Vormonat: 31,7) Punkte. Es ist der höchste Wert, seit im Februar 2022 der russische Krieg gegen die Ukraine die Konjunkturerwartungen abstürzen ließ. ZEW-Chef Achim Wambach
begründete den zunehmenden Optimismus mit einer sich erholenden Weltwirtschaft und verbesserten Aussichten in den deutschen Exportländern. Zudem rückten vor allem die ersten Leitzinssenkungen der EZB näher. In der Ökonomen-Barometer-Umfrage von €uro am Sonntag rechnen nun 38,1 (Vormonat: 27,3) Prozent der Befragten mit einer ersten EZB-Zinssenkung im zweiten Quartal, während 45,2 (Vormonat: 52,2) Prozent diese erst im dritten Quartal erwarten. Der zuletzt starke Rückgang der Inflation verschafft der EZB Spielräume, die Zinsen bereits in der Sitzung am 6. Juni zu senken.
Anders sieht es in den Vereinigten Staaten aus, wo sich die Inflation als hartnäckiger erweist und die Wirtschaft besser läuft als in Europa, sodass die US Notenbank Fed keinen Druck verspürt, die Zinsen rasch zu senken. Entsprechend rechnen nur noch 23,8 (Vormonat: 50,0) Prozent der Teilnehmer mit einer ersten Zinssenkung der Fed im zweiten Quartal. 62,0 (Vormonat: 38,6) erwarten diese nun im dritten Quartal. Am Dienstag untermauerte Fed-Chef Jerome Powell seine zögerliche Haltung zu raschen Zinssenkungen. Die jüngsten Inflationsdaten signalisierten noch keinen nachhaltigen Rückgang des Preisdrucks, sagte Powell. Auch angesichts des noch immer starken Arbeitsmarkts sei es derzeit angebracht, die straffe Geldpolitik weiter wirken zu lassen.
Starke Regulierung als Nachteil
Die Teilnehmer des Ökonomen-Barometers sollten in der April-Umfrage auch eine qualitative Bewertung des Standorts Deutschland anhand vorgegebener Kriterien abgeben. Zu den größten Standortnachteilen zählen die Teilnehmer
demnach die Regulierungsdichte in Deutschland (minus 3,2 auf einer Skala von minus fünf bis plus fünf), Energiekosten (minus 3,0), öffentliche Verwaltung (minus 2,9), Steuern und Abgaben (minus 2,7). Dem stehen als positive Standorteigenschaften politische und rechtliche Sicherheit (plus 1,9), Innovationskraft (plus 0,8) und Bildungsinfrastruktur (plus 0,3) gegenüber. Auf ein besonderes Risiko der deutschen Volkswirtschaft weist Donner & Reuschel-Chefvolkswirt Carsten Mumm hin: die starke Abhängigkeit der Firmen vom Export in einer zunehmend protektionistischen Welt (siehe Interview S. 16).
Lichtblicke in der Chemie
Alexander Krüger, Chefvolkswirt bei Hauck Aufhäuser Lampe, interpretierte unterdessen die neuen Zahlen zwar als konjunkturbelebend, aber noch lange nicht als Aufschwung. „Letztendlich sind es in erster Linie die Konjunkturerwartungen, die Hoffnung verbreiten“, erläuterte Krüger. Auf sie sei aber weniger Verlass, denn sie könnten sich rasch ändern. „Trotz Besserung bleibt die Lagebeurteilung weiter enttäuschend.“ Für einen Konjunkturaufschwung bedürfe es noch einer markanten Verbesserung, so Krüger. In einzelnen Branchen wie der Chemie gibt es aber Lichtblicke: Laut Ifo-Institut haben sich Geschäftsklima und Erwartungen in dieser deutschen Schlüsselbranche im März deutlich aufgehellt. „Der Tiefpunkt der Krise scheint überwunden zu sein“, sagte Ifo-Branchenexpertin Anna Wolf (siehe Investors-Info).