Das Ökonomen-Barometer von €uro am Sonntag legt im März deutlich zu. Experten erwarten raschere Zinssenkungen bei Fed und EZB.
Von Wolfgang Ehrensberger
Führende deutsche Volkswirte beurteilen die aktuelle wirtschaftliche Lage in Deutschland und den Ausblick für die kommenden zwölf Monate wieder optimistischer als noch im Vormonat. Das Ökonomen-Barometer von
€uro am Sonntag legte im März um 7,2 Prozent auf 28,3 Punkte zu. Der Ausblick auf die kommenden zwölf Monate verbesserte sich um 9,3 Prozent auf 23,6 Punkte. Es ist der kräftigste Zuwachs seit Herbst 2023 Basis des Barometers ist eine exklusive monatliche Umfrage unter mehreren Hundert Volkswirten.
Die Ökonomen wurden erneut auch danach gefragt, wann sie mit ersten Leitzinssenkungen der US-Notenbank Fed und der europäischen Zentralbank EZB rechnen. Demnach erwarten inzwischen 50 Prozent der Teilnehmer eine erste Fed-Zinssenkung im zweiten Quartal 2024 (Fed-Sitzung am 12. Juni).
Knapp 39 Prozent erwarten dies aber erst im dritten Quartal. Bei der
EZB sehen 27,3 Prozent eine erste Leitzinssenkung im zweiten Quartal, eine Mehrheit von 52,3 Prozent hält das im dritten Quartal für möglich. Im Vergleich zum Vormonat ist damit die Erwartung einer früheren Senkung der Leitzinsen bei beiden Notenbanken deutlich angestiegen (siehe Grafik). Die Notenbanken hatten das Zinsniveau wegen des Inflationsanstiegs bis etwa Mitte 2023 stark angehoben und seitdem konstant gehalten. Vor allem die Erwartung wieder
sinkender Zinsen hatte die Aktienmärkte seit Herbst vergangenen Jahres bereits stark angetrieben. Die Teilnehmer der Märzumfrage sehen als Gründe für eine raschere Zinssenkung auch die herannahenden US-Wahlen (Oliver Landmann, Uni Freiburg). In Europa sprächen sinkende Inflationsraten sowie die schwache Konjunktur für die Absenkung der Zinsen (ZEW-Ökonom
Friedrich Heinemann), wobei die EZB der Fed mit etwas Abstand
folgen dürfte. Die US-Notenbank Fed hatte auf ihrer Sitzung am Mittwoch die Zinsen erneut stabil gehalten und wie bisher drei Zinssenkungen im Jahresverlauf um insgesamt 0,75 Prozentpunkte in Aussicht gestellt. Powell warnte gleichzeitig, dass der Weg zum Zwei-Prozent-Inflationsziel noch „holprig“ werden könnte. Zuletzt hatten sich die US-Inflationsdaten wieder etwas eingetrübt. So war die Inflationsrate im März auf 3,2 (Februar: 3,1) Prozent geklettert.
Börsen in Rekordlaune
Die Wall Street reagierte auf die jüngsten Fed-Aussagen mit Kursgewinnen. Der DAX kletterte am Donnerstagvormittag auf ein neues Allzeithoch von 18.171 Punkten. Eine Woche vorher hatte der deutsche Leitindex erstmals die 18.000-Punkte-Marke überschritten. Bei der EZB mehren sich unterdessen ebenfalls die Hinweise auf eine Zinswende im Juni. Dann werde die Notenbank wohl ausreichend Sicherheit haben, um über eine erste Zinssenkung zu entscheiden,
sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde am Mittwoch in Frankfurt. Wie der Weg nach einer Kurswende gestaltet werden solle, sei offen. Die Entscheidungen der EZB hingen weiter von den Inflationsdaten ab und würden von Sitzung zu Sitzung getroffen, betonte Lagarde. Zuletzt hatten mehrere EZB-Vertreter die Möglichkeit erster Zinssenkungen im Juni angedeutet.
Grimm-Debatte: Darf sie das?
Die im Ökonomen-Barometer befragten Volkswirte beschäftigten sich in der Umfrage auch mit der umstrittenen Wahl der Wirtschaftsweisen Veronika Grimm Ende Februar in den Aufsichtsrat des Energietechnikkonzerns Siemens
Energy. Die 52-jährige VWL-Professorin der Uni Erlangen-Nürnberg gehört seit 2020 dem Sachverständigenrat (SVR) an, der die Bundesregierung in Wirtschaftsfragen berät. Den Einzug in den Aufsichtsrat des DAX-Konzerns hatten die anderen Mitglieder des SVR scharf kritisiert, weil sie Interessenkonflikte befürchteten. Eine Mehrheit von 52,3 Prozent der Teilnehmer des Ökonomen-Barometers ist der Ansicht, dass ein Mitglied des SVR ein solches Mandat ausüben dürfe. 47,7 Prozent sprachen sich in der Umfrage dagegen aus. Ebenso konträr sind die Positionen: Während Ökonomen wie Harald Hagemann (Uni Hohenheim), Gerhard Wegner (Uni Erfurt) und Günter Franke (Uni Konstanz) vor massiven Interessenkonflikten warnen, sehen Albrecht Michler (Uni Düsseldorf) oder Horst Schellhaaß (Uni Köln) diese nicht. Letzterer hält ein solches Mandat angesichts des Erfahrungsgewinns sogar für hilfreich für die Arbeit im SVR.