Deutschland steckt in der Rezession, doch führende Ökonomen blicken optimistischer auf 2025. Den FDP-Vorschlag, Bitcoin in die EZB-Reserven zu nehmen, lehnen sie ab.
Von Wolfgang Ehrensberger
Die deutsche Wirtschaft ist 2024 das zweite Jahr in Folge geschrumpft. Die Wirtschaftsleistung ging um 0,2 (2023: 0,3) Prozent zurück, wie das Statistische Bundesamt jetzt mitteilte. Trotz der derzeitigen konjunkturellen und strukturellen Belastungen hat sich allerdings die Einschätzung führender Volkswirte zur Wirtschaftslage in Deutschland überraschend aufgehellt. In der Exklusivumfrage zum Ökonomen-Barometer von €uro am Sonntag im Januar verbesserte sich vor allem der Ausblick auf die kommenden zwölf Monate um elf Prozent auf 21,4 Punkte. Auch die Beurteilung der aktuellen Wirtschaftslage legte um 3,7 Prozent auf 25,3 Punkte zu. Ein nachhaltiger Aufschwung ist allerdings auch weiterhin nicht in Sicht. Im vierten Quartal war die deutsche Wirtschaft um 0,1 Prozent geschrumpft.
USA: Fed vor Zinsanhebungen?
Die Ökonomen beschäftigten sich in der Januar-Umfrage unter anderem mit der Zinsentwicklung in den Vereinigten Staaten. Am vergangenen Freitag hatten positive Nachrichten vom US-Arbeitsmarkt die Börsen belastet, denn sie könnten
ebenso wie die von Trump angekündigten Zölle für zusätzliche Inflationsdruck sorgen. Dies könnte die US-Notenbank Fed dazu veranlassen, ihren Zinssenkungskurs weiter zu verlangsamen oder sogar ganz aufzugeben. Knapp die Hälfte der im Ökonomen-Barometer befragten Volkswirte (49 Prozent) hält es sogar für möglich, dass die Fed im Lauf des Jahres die Zinsen wieder anhebt.
„Möglich, aber nicht sehr wahrscheinlich“, lautete der Tenor in den Kommentaren zu der Frage. Einige Ökonomen wie Tim Krieger (Uni Freiburg) und Cyrus de la Rubia (Uni Hamburg) haben eine Fed Zinsanhebung in ihren Szenarien für 2026 bereits berücksichtigt. Bis dahin müsse man sehen, welche Wirkung die von Trump angekündigten Maßnahmen entfalteten.
Manche Teilnehmer der Ökonomen-Barometer-Umfrage äußerten Zweifel, dass die Fed überhaupt noch unabhängig entscheiden kann. Trump werde Zinserhöhungen der Notenbanker verhindern, glauben beispielsweise Till Requate (Uni Kiel) und Franz Peter Lang (Uni Luxemburg). Mit massivem Widerstand Trumps gegen Zinserhöhungen sei zu rechnen.
US-Bankaktien vor Boomjahr
Die Fed hatte bereits signalisiert, dass sie statt vier in diesem Jahr nur noch zwei Zinssenkungen anstrebt. Von weniger stark ausgeprägten Zinssenkungen könnten insbesondere die großen US-Banken profitieren. Denn die zuletzt abgesenkten Notenbankzinsen belasten auch die Zinsergebnisse der Häuser.
An diesem Mittwoch legten die ersten großen US-Institute ihre Quartalszahlen vor. Die Erwartungen ans Zinsergebnis hellen sich bereits auf. Branchenprimus JP Morgan rechnet nun für 2025 mit einem Nettozinsüberschuss von 94 Milliarden Dollar und übertraf damit die Erwartungen deutlich. Insgesamt haben sich die Aussichten für US-Bankaktien in den vergangenen Wochen deutlich verbessert. Die geplanten Deregulierungen der Trump-Regierung könnten das M & A-Geschäft weiter beflügeln, heißt es. Auch den Rücktritt des Fed-Chefbankenaufsehers Michael Barr in der vergangenen Woche sehen Branchenvertreter als Signal für Deregulierung und weniger strenge Kapitalvorgaben.
Krypto? Nichts für die EZB
Unterdessen stößt bei den deutschen Ökonomen ein Vorschlag von Christian Lindner auf überwiegen de Ablehnung. Der FDP-Chef hatte die EZB und die Bundesbank aufgefordert, die Aufnahme von Kryptowährungen wie den Bitcoin
in ihre Reserven zu prüfen. Lindner verwies auf entsprechende Überlegungen bei der US-Notenbank Fed und die Gefahr, auch auf diesem Gebiet den Anschluss zu verlieren. Lediglich 16 Prozent der im Ökonomen-Barometer befragten Volks
wirte sind für diesen Vorschlag, 84 Prozent lehnen ihn ab.
Auch hier stehen sich zwei Grundpositionen gegenüber. Fred Wagner (Uni Leipzig) sieht in Kryptowährungen durchaus eine „Stärkung der Resilienz der Währungsreserven“ und David Stadelmann (Uni Bayreuth) hält sie „im Rahmen einer erweiterten Diversifikationsstrategie für sinnvoll“. Die meisten Ökonomen sprechen den Kryptos jedoch einen Währungscharakter im engeren Sinn ab und sehen sie als
„Spekulationsobjekte“. Für Helaba-Chefvolkswirtin Gertrud Rosa Traud sind Kryptowährungen keine „echten“ Währungen, „weil sie die Geldfunktionen Tauschmittel, Wertaufbewahrung und Recheneinheit nicht erfüllen“.