ÖB 02/2025: „Wachstumsriese Indien“

Volkswirte: Subkontinent hat Megapotenzial. Harte EU-Reaktion auf Trump-Zölle gefordert. Barometer sinkt.

Von Wolfgang Ehrensberger

Noch im Januar hatte sich das Ökonomen-Barometer von €uro am Sonntag leicht aufgehellt – doch diese positive Tendenz hat sich im Februar nicht fortgesetzt. Führende Ökonomen beurteilen die gegenwärtige Lage der deutschen Wirtschaft in der aktuellen Umfrage wieder etwas schlechter als im Vormonat. Der entsprechende Barometerwert sank demnach um 7,7 Prozent auf 23,5 Punkte. Die Zwölfmonatsperspektive für das Land ging sogar um 9,2 Prozent auf 19,6 Punkte zurück. Damit schätzen die teilnehmenden Ökonomen die wirtschaftliche Entwicklung im Februar negativer ein als noch zum Jahresanfang 2025.

Handelskriege helfen Indien

In der Februar-Umfrage befassten sich die teilnehmenden Ökonomen zunächst mit den unterschiedlichen Wachstumsperspektiven der großen Industrienationen. USA, China und Deutschland waren zuletzt gemessen am Bruttoinlandsprodukt die drei Länder der Welt mit der größten Wirtschaftsleistung. Das größte Aufwärtspotenzial trauen die meisten Ökonomen jedoch in den kommen den zehn Jahren Indien zu, zuletzt noch auf Rang fünf der größten Wirtschaftsmächte nach Japan. 62,8 Prozent der Teilnehmer der Ökonomen-Barometer-Umfrage haben für den Subkontinent als wachstumsstärkstes Land votiert, gefolgt von den USA mit 23,3 Prozent und China mit 11,6 Prozent.

„Junge Bevölkerung, hoher Nachholbedarf, große Chancen in der globalen Dienstleistungsökonomie“, begründete beispielsweise ZEW-Experte Friedrich Heinemann sein Indien-Votum. Ähnlich sieht es Berenberg-Chefvolkswirt Felix Schmidt: „Das wirtschaftliche Aufholpotenzial ist sehr groß, das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf beträgt nur ein Fünftel von dem Chinas und nur ein Zweiundzwanzigstel von dem Deutschlands.“

Indien könne zudem von einer weiteren Eskalation der Handelsstreitigkeiten zwischen den USA und China profitieren. Donner & Reuschel-Chefvolkswirt Carsten Mumm hält den Subkontinent ebenfalls für das chancenreichste Land. „Indien dürfte von weiterem Bevölkerungswachstum, politischer Stabilität und dem Ziel, Lieferketten zu diversifizieren, profitieren. Zudem versteht es die politische Führung, sich in einem geopolitisch aufgeladenen Umfeld zu allen Seiten offen zuhalten und jeweils Vorteile aus bilateralen Beziehungen zu ziehen.“

Doch einige Volkswirte halten weiterhin den USA als wachstumsstärkstem Land der Welt die Stange. Dafür sprächen eine „unternehmensfreundliche Regulierungs- und Steuerpolitik“ (Horst Schellhaaß, Uni Köln) sowie „Innovationsoffenheit, gute Finanzmarktkonditionen und eine gute Position im Hightech-Bereich, insbesondere KI, Quantencomputing und Biotech“ (Volker Hofmann, Leiter Volkswirtschaft beim Bankenverband BdB).

Trump-Zölle, EU-Reaktion

In der Februar-Umfrage des Ökonomen-Barometers befassten sich die Teilnehmer schließlich mit den Trump-Zöllen gegenüber der EU und wie die Reaktion der Europäer darauf ausfallen sollte. Der US-Präsident hatte erst zu Wochenbeginn Sonderzölle von 25 Prozent auf Stahl und Aluminium verhängt, die ab 12. März gelten sollten. Die EU-Kommissionspräsidentin kündigte daraufhin „entschiedene und verhältnismäßige Gegenmaßnahmen“ an, ließ aber Details offen.

56,5 Prozent der Teilnehmer des Ökonomen-Barometers halten einen robusten, entschlossenen Auftritt mit Gegenzöllen für die richtige Strategie. 43,5 Prozent sind der Ansicht, die EU sollte eher vorsichtig reagieren. „Klotz braucht Klotz“, fasst Günter Franke (Uni Konstanz) seinen Vorschlag plakativ zusammen. Gerhard Wegner von der Uni Erfurt sieht das ähnlich: „Eine Tit-for-tat(„Wie du mir, so ich dir“)- Strategie verspricht den schnellsten Erfolg, zumal die EU eine wirtschaftliche Macht darstellt“, glaubt Wegner. Trump verstehe „nur robust – wenn überhaupt“, sagt Michael Ahlheim von der Uni Hohenheim. Am anderen Ende rät Bernd Raffelhüschen von der Uni Freiburg dazu, den Ball flach zuhalten: „Wir erheben doch viel höhere Zölle als die USA. Wer im Glas haus sitzt, sollte nicht mit Steinen schmeißen“, so Raffelhüschen.

Einen ausgewogenen Reaktionsmix empfiehlt schließlich Berenberg-Chefökonom Felix Schmidt, wobei „entscheidend ist, dass Europa gegenüber Donald Trump geschlossen auftritt“. So könne Europa den USA mit dem Kauf von Flüssiggas und Rüstungsgütern entgegenkommen. Wenn das nichts fruchte, sollte es bei Gegenzöllen nur ausgewählte Warengruppen treffen, um den wirtschaftlichen Schaden für die EU gering zu halten. US-Präsident Trump hat unterdessen erklärt, dass er seine Zollpolitik noch ausweiten wolle. So wolle er unter anderem einen „ausgeklügelten Plan für Gegenzölle“ bekannt geben. Außerdem stellte er Sonderzölle auf Autos, Computerchips und pharmazeutische Produkte in Aussicht.