ÖB 03/2019: „Ökonomen-Barometer: Tanz um die schwarze Null“

Die Regierung hat zum siebten Mal in Folge einen ausgeglichenen Haushalt auf den Weg gebracht. Führende Ökonomen sagen: Das sollte auch so bleiben.

von Wolfgang Ehrensberger, €uro am Sonntag (zum Artikel auf finanzen.net)

Es hilft ja nichts, wenn wir unseren Kindern ein kaputtgespartes Land hinterlassen.“ Auf diesen Nenner lässt sich die wachsende Kritik an einem Bundeshaushalt ohne neue Schulden bringen. Am Mittwoch hat das Kabinett das siebte Jahr in Folge einen solchen Etat für 2020 und die Jahre danach auf den Weg gebracht.

Geht es nach führenden deutschen Volkswirten, sollte das auch so bleiben. Die im Ökonomen-Barometer von €uro am Sonntag und dem Nachrichtensender n-tv befragten Experten sind mehrheitlich gegen die ­Abschaffung der sogenannten schwarzen Null. 69 Prozent sprachen sich in der März-Umfrage für das Ziel eines ausge­glichenen Haushalts ohne neue Schulden aus. 28 Prozent waren dagegen, drei Prozent machten keine Angaben.

Zuletzt hatten sich in die ­Reihen der Kritiker einer allzu rigiden Sparpolitik auch Ifo-Präsident Clemens Fuest und der Chef des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hü­ther, eingereiht. Letzterer hatte davor gewarnt, dass die vor zehn Jahren beschlossene Schuldenbremse inzwischen dazu beitrage, Investitionen und Steuersenkungen zu verhindern.

Demografische Lücke

Kritiker verweisen außerdem darauf, dass die deutsche Staatsverschuldung auch dank der ­guten Konjunktur zuletzt stark zurückgegangen sei, dass die Staatseinnahmen noch sprudelten und dringende Zukunfts­investitionen anstünden.

Die Gegner einer Lockerung der Schuldenbremse entgegnen, der Bund habe nach innen und in Europa Signalfunktion und müsse sich gleichzeitig Spielräume für den demografischen Wandel verschaffen.

„Demografiebedingt werden die öffentlichen Haushalte ab den 2030er-Jahren stark defizitär“, sagt beispielsweise Friedrich Heinemann vom Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). „Wir sollten die bis dahin demografisch günstige Periode zur Vorsorge nutzen und den Schuldenstand weiter abbauen.“ Zudem sei die Einschätzung falsch, dass die Schuldenbremse zulasten von Investitionen gehe. Größere Verschuldungsspielräume würden vielmehr zur Ausweitung von Transferleistungen genutzt.

In der Barometer-Umfrage sprachen sich immerhin 29 Prozent für eine relative Verschuldungsgrenze abhängig vom Wirtschaftswachstum aus. Diese Grenze sollte aber niedrig angesetzt werden. „Das Ziel sollte ein über den Konjunkturzyklus ausgeglichenes Budget sein“, erklärt Martin Kocher von der LMU in München.

Ähnlich sieht es Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank Gruppe. „Tatsächlich wäre eine etwas höhere Flexibilität bei der Verschuldung wünschenswert. Insbesondere könnten höhere investive Staatsausgaben in der gegenwärtigen Lage durchaus sinnvoll sein.“