ÖB 01/2017: „Ökonomen-Barometer: Jahres-Auftakt nach Maß!“

Das Ökonomen-Barometer von €uro am Sonntag und dem Nach­richtensender n-tv hat einen bemerkenswerten Jah­res-Auftakt hingelegt. Die Teilnehmer der Januar-Umfrage schätzen die derzeitige wirtschaftliche Lage so gut ein wie zuletzt 2011. Ungeachtet der Unsicherheiten, die vom neuen US-Präsidenten Donald Trump oder Austrittsverhandlungen Großbritanniens mit der EU ausgehen, hat sich auch der Ausblick auf die kommenden zwölf Monate nochmals aufgehellt: Der Indexwert stieg um sieben Prozent auf einen Stand von 69,3 Punkten. Das ist der höchste Wert seit Mai 2015. Die Einschätzung der aktuellen Lage legte zwar nur um vier Prozent zu, erreicht aber mit 66,7 Punkten den besten Wert seit über fünf Jahren.

von Wolfgang Ehrensberger, Euro am Sonntag

Konsum als treibende Kraft

Die Ergebnisse liegen auf Linie des Konjunkturindikators des Mannheimer Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). In der Januar-­Umfrage haben die vom ZEW befragten Börsenprofis die aktuelle Lage ebenfalls als so gut ­eingeschätzt wie zuletzt vor fünf­einhalb Jahren. Nach den soeben vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten Zahlen stieg das Bruttoinlandsprodukt 2016 um 1,9 Prozent und damit so stark wie seit 2011 nicht mehr. Vor allem die Inlandskonjunktur boomt. „Der Konsum war erneut die treibende Kraft“, sagte Statistik­amtspräsident Dieter Sarreither. Rekordbeschäftigung, steigende Löhne sowie billiges Tanken und Heizen beflügelten die Kaufkraft der Verbraucher.

Auftragseingänge und Stimmungsindikatoren versprächen einen guten Start in das Jahr 2017, hieß es im Wirtschafts­ministerium. Die Unsicherheiten unter dem neuen US-Präsidenten und die Verhandlungen über den EU-Austritt Großbritanniens könnten allerdings den Konjunkturverlauf 2017 beeinträchtigen. Die Bundesregierung kalkuliert dieses Jahr mit einem Wirtschaftswachstum von 1,4 Prozent, auch wegen der geringeren Zahl der Arbeitstage.

Votum für Abgeltungsteuer

In der Januar-Umfrage des Ökonomen-Barometers beschäftigten sich die Teilnehmer mit der 2009 eingeführten pauschalen Abgeltungsteuer von 25 Prozent auf Kapitalerträge. Zuvor waren Kapitalerträge nach dem normalen Einkommensteuer­tarif besteuert worden. 71 Prozent der im Ökonomen-Barometer befragten Experten halten die pauschale Abgeltungsteuer bei Einkünften aus Kapitaler­trägen nach wie vor für richtig. 18 Prozent lehnen sie ab.

SPD, Linke, Grüne und auch Teile der Union fordern seit Längerem immer wieder, die Ab­geltungsteuer abzuschaffen und zum individuellen Steuersatz zurückzukehren. Sie argumentieren, dass Arbeit nicht höher besteuert werden dürfe als Kapitaleinkünfte. 56 Prozent der befragten Ökonomen lehnen eine solche Rückkehr zur Besteuerung von Ka­pitalerträgen zum individuellen Einkommensteuersatz ab.

22 Prozent könnten sich die Rückkehr zu individueller Besteuerung unter der Bedingung vorstellen, dass Doppelbesteuerung vermieden wird. So wurden Dividenden früher nach dem Halbeinkünfteverfahren nur zur Hälfte beim Anleger besteuert. Damit wurde berücksichtigt, dass der zugrundeliegende Gewinn schon einmal auf Unternehmensebene versteuert worden war. Lediglich 15 Prozent der Befragten halten die unbedingte Wiedereinführung für sinnvoll.

Befürworter der Abgeltungsteuer verweisen immer wieder auf das Argument der Steuer­vereinfachung und Steuer­ehrlichkeit. „Sie ist eine der wenigen sinnvollen Vereinfachungen“, sagt etwa Harald Hagemann von der Uni Hohenheim. Für Karl Mosler von der Uni Köln greift die Abgeltungsteuer an der Quelle. „Sie ist praktisch nicht zu umgehen, führt zu höheren Einnahmen, die Erhebung ist einfach und erfordert kaum Bürokratie“, so Mosler. Auch international habe sie sich als Standard etabliert und bremse die Kapitalflucht.

Umstrittener Kaeser-Vorstoß

Juergen B. Donges von der Uni Köln schlägt statt einer Abschaffung der Abgeltungsteuer eine Reform des deutschen Steuersystems im Ganzen vor. Volker Caspari von der TU Darmstadt sieht bei einer Rückkehr zur ­“individuellen Steuergerechtigkeit“ die Gefahr, dass „wieder tausend Ausnahmetatbestände und Absetzbarkeiten entstehen“, mit dem Ergebnis, dass Kapitaleinkommen tatsächlich kaum noch versteuert würden.

Mit einem bemerkenswerten Vorschlag hatte sich kürzlich Siemens-Chef Joe Kaeser zu Wort gemeldet und eine gezielte steuerliche Förderung von Aktien für die Altersvorsorge vorgeschlagen. Die meisten der befragten Ökonomen halten dies allerdings für keinen guten Ansatz. Lediglich 21 Prozent können sich für ­Kaesers Vorschlag erwärmen, 71 Prozent lehnen diesen ab.

Manche Teilnehmer wie Thomas Huth (Uni Lüneburg) oder Wilfried Fuhrmann ­sehen allein schon in Marktschwankungen eine Gefahr. Andere wie Michael Grömling vom IW Köln verweisen auf Fehlanreize und mögliche Blasenbildung. Karl Mosler (Uni Köln) schlägt statt Aktien steuerlich begünstigte, aber staatlich kontrollierte Fonds vor. Ulrich Blum (Uni Halle-Wittenberg) rät dazu, Formen der ­Mitarbeiterbeteiligung stärker aufzugreifen.