Nach einem turbulenten Jahresverlauf mit Brexit, US-Wahl und Italien-Referendum bewerten führende Volkswirte die wirtschaftliche Lage in Deutschland derzeit so gut wie seit Mai 2015 nicht mehr. Vor allem die Perspektiven für das kommende Jahr hellen sich zum Jahresende noch einmal deutlich auf. Das ist das Ergebnis der Jahresschluss-Umfrage des Ökonomen-Barometers von €uro am Sonntag und dem Nachrichtensender n-tv.
Demnach beendet das Barometer das Jahr 2016 mit einem Dezember-Stand von 64,7 Punkten, einem Plus von 1,7 Prozent zum Vormonat und dem höchsten Wert seit Mai 2015. Auch die Prognose für die kommenden zwölf Monate verbessert sich im Schlussmonat deutlich um 6,7 Prozent auf 66,2 Punkte – ebenfalls bestes Ergebnis seit Mitte 2015. Erstmals seit August liegt damit die Prognose wieder über der Bewertung des aktuellen Stands. Alles in allem sind die Perspektiven für 2017 damit auf hohem Niveau stabil.
Euro weiter im Sinkflug
Dabei rechnen zwei Drittel der führenden Volkswirte in den kommenden Monaten mit einer weiteren Abwertung des Euro ausgehend vom derzeitigen Niveau von 1,04 Dollar. 17 Prozent erwarten sogar, dass der Dollar über die Parität hinaus aufwertet. Immerhin jeder Fünfte rechnet mit einer Stabilisierung auf dem derzeitigen Niveau, zwölf Prozent wiederum trauen dem Euro eine Aufwertung in den kommenden Monaten zu.
Gefahr von Blasenbildung
Die Einschätzungen zur Geldpolitik bleiben zweigeteilt: Während die US-Notenbank Fed die Zügel im nächsten Jahr deutlich straffen wird, bleibt die Europäische Zentralbank (EZB) nach Meinung der Experten 2017 ihrem expansiven Kurs weiter treu. „Es ist fraglich, ob sie die beabsichtigte Reduktion des Kaufprogramms im Fall einer sich zuspitzenden Krise in Italien überhaupt beibehält“, gibt Frank Bulthaupt von der Hochschule der Sparkassen-Finanzgruppe zu bedenken.
Friedrich Heinemann vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung Mannheim (ZEW) sieht eine zunehmende Gefahr von „Blasenbildungen“. Der monetäre Schutz erlaube es, Strukturreformen abzublasen und weiter zu hohe Defizite zu machen, warnt Heinemann. Andreas Freytag von der Uni Jena formuliert es noch drastischer: „Das Gelddrucken in der Eurozone wird bis zu ihrer Auflösung anhalten.“
Streit um Autobahnen
An der Frage, ob privaten Investoren der Einstieg in Finanzierung, Bau und Betrieb von Autobahnen und Bundesstraßen ermöglicht werden soll, scheiden sich die Geister. 47 Prozent der Befragten halten solche Modelle grundsätzlich für sinnvoll und richtungsweisend. 49 Prozent lehnen sie hingegen ab. Die Union hatte jüngst entsprechende Überlegungen konkretisiert.
Grundsätzlich aufgeschlossen dem Thema gegenüber zeigen sich beispielsweise Martin Kocher von der LMU München, Martin Leschke von der Uni Bayreuth und Ulrich van Suntum von der Uni Münster. „Es ist nicht einzusehen, dass Autobahnen Staatseigentum sein müssen“, sagt van Suntum.
Thomas Gitzel von der VP Bank Gruppe spricht sich für eine Bündelung der bundesweiten Autobahnaktivitäten in eine eigenständige Gesellschaft nach österreichischem Vorbild aus. Die staatliche österreichische Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft, kurz Asfinag, sei ein gutes Beispiel.
Angesichts bevorstehender Großinvestitionen müsse dann die Beteiligung privater Investoren forciert werden. „In Bayern hat das mit dem Ausbau der A8 schon bestens funktioniert.“ Manche Projekte wie der 500 Millionen Euro schwere Ausbau des Albaufstiegs zwischen Stuttgart und Ulm seien ohne Beteiligung privater Investoren kaum zu stemmen, glaubt Thomas Gitzel.
Bruno Schönfelder von der TU Freiberg spricht sich für eine Vollprivatisierung aus. „Nur ein solches Vollmodell ist sinnvoll. Bei hybrider Finanzierung ist der Steuerzahler dagegen in der Regel der Verlierer.“ Öffentlich-private Partnerschaften liefen dem Volkswirt zufolge auf eine „verkappte Staatsverschuldung“ hinaus. „Die versprochenen Effizienzverbesserungen stellen sich wegen einer unglücklichen Vertragsgestaltung nicht ein“, so Schönfelder.
Am anderen Ende stehen Gegner wie David Stadelmann von der Uni Bayreuth oder Dirk Ehnts vom Bard College Berlin. Sie verweisen auf das derzeit niedrige Zinsniveau, das es dem Staat ermögliche, sich günstiger und mit weniger Risiken zu finanzieren als über private Geldgeber.