Das Ökonomen-Barometer steigt im Mai kräftig an. Experten sehen mittelfristig moderate Inflationsrisiken. Doch Dienstleistungen werden immer teurer.
Von Wolfgang Ehrensberger
Nach dem Zollschock im Vormonat hat sich das Ökonomen-Barometer im Mai kräftig erholt. So verbesserte sich die Einschätzung der Volkswirte zur aktuellen wirtschaftlichen Lage in Deutschland um zehn Prozent auf 29,7 (Vormonat: 27,0) Punkte. Die Prognose für die konjunkturelle Entwicklung in den kommenden
zwölf Monaten kletterte um 35,4 Prozent auf 27,9 (20,6) Punkte. Damit schätzen die Experten nicht nur die Lage, sondern vor allem die wirtschaftlichen Perspektiven Deutschlands in den kommenden Monaten wieder deutlich besser ein als im Vormonat. Basis des Barometers ist eine exklusive Umfrage
von €uro am Sonntag unter führenden Volkswirten.
Umfrageschwerpunkt im Mai war das Thema Inflation. Am Mittwoch hatte das Statistische Bundesamt die jüngsten Inflationsdaten veröffentlicht. Demnach ging die deutsche Teuerungsrate im April auf 2,1 (März: 2,2) Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat zurück und sank damit auf den niedrigsten Wert seit Oktober 2024. Volkswirte rechnen damit, dass sich die Inflationsrate in den kommenden Monaten in einem Korridor zwischen 2,0 und 2,5 Prozent bewegen wird. Dabei wirken gegen läufige Effekte auf die Teuerung. Vor allem der gesunkene Ölpreis hat zu einer Entlastung bei den Energiepreisen geführt. Das dämpft die Inflationsrate ebenso wie die Aufwertung des Euro.
Doch im Gegenzug haben die Preise für Dienstleistungen laut Statistischem Bundesamt im April kräftig angezogen. So verteuerten sich Pauschalreisen um 9,2 Prozent gegenüber dem Vorjahresniveau, für Flugtickets mussten sogar 19,1 Prozent mehr bezahlt werden. Gaststättenbesuche wurden 4,2 Prozent teurer, auch Nahrungsmittelpreise zogen mit 2,8 Prozent überdurchschnittlich stark an. Der Anstieg der Dienstleistungspreise insgesamt ist mit 3,9 Prozent in Deutschland auch höher als in anderen EU-Ländern, was auf die stärkeren Lohnsteigerungen zurückgeführt wird. „Vor allem die Dienstleistungsinflation zeigt sich trotz Wirtschaftsflaute und schwächerem Arbeitsmarkt deutlich hartnäckiger als gedacht“, erläutert Deutsche-Bank- Volkswirt Sebastian Becker.
„Die strukturellen Gründe für einen höheren Preisdruck sind vielfältig“, analysiert Berenberg-Chefvolkswirt Felix Schmidt die Lage. „Dazu gehören vor allem der demografische Wandel und das knapper werdende Angebot an Arbeitskräften. Dies wird das Lohnwachstum und damit den Preisdruck insbesondere im arbeitsintensiven Dienstleistungssektor hoch halten.“ Die möglichen Folgen eskalierender Handelskonflikte oder eines Zollstreits mit seinen inflationstreibenden Effekten spielen in diesen Überlegungen noch keine Rolle und könnten den Inflationstrend zusätzlich deutlich beschleunigen. Dennoch beurteilen die im Ökonomen-Barometer befragten Experten die mittelfristigen Inflationsrisiken für Deutschland als moderat. So rechnet fast ein Viertel mit einer Inflationsrate in den kommenden zwei bis fünf Jahren von „nahe am
EZB-Inflationsziel von zwei Prozent“. Fast zwei Drittel der Befragten gaben eine Spannbreite der mittelfristigen Teuerungsrate zwischen zwei und drei Prozent an.
USA: Stärkerer Inflationstrend
Für die USA sind die Inflationserwartungen der Experten höher, obwohl auch dort der Preisauftrieb zuletzt rückläufig war. Nach Angaben des US Arbeitsministeriums vom Dienstag ging die US-Teuerungsrate im Mai auf 2,3 (März: 2,4) Prozent zurück. Noch im Januar hatte sie bei 3,0 Prozent gelegen. Auch hier sorgten zuletzt die günstigeren Energiepreise für eine Entspannung. So sind die Benzinpreise im Jahresvergleich um zwölf Prozent zurückgegangen. 60 Prozent der von €uro am Sonntag befragten Experten rechnen mittelfristig mit einer US-Inflationsrate zwischen drei und vier Prozent, weitere elf Prozent sogar mit vier bis fünf Prozent.
Die Mai-Umfrage lieferte noch ein bemerkenswertes Ergebnis: Die Experten warnen vor einem Verlust der politischen Unabhängigkeit der US-Notenbank Fed. Diese wird zuletzt von US-Präsident Donald Trump immer stärker unter Druck gesetzt, die Zinsen zu senken. „Die Fed wird sich spätestens mit dem Auslaufen des Mandats von Fed Chef Jerome Powell dem Druck der Trump-Administration kaum noch entziehen können“, sagt Oliver Landmann (Uni Freiburg). „Die Unabhängigkeit der US-Geldpolitik ist in den nächsten Jahren nicht mehr gewährleistet“, erklärt ZEW-Experte Friedrich Heinemann.