ÖB 04/2025: „Handelskrieg kostet Wachstum in Billionenhöhe“

Das Ökonomen-Barometer sackt im April wieder ab. Volkswirte diskutieren teilweise ungewöhnliche Szenarien. Was auf Anleger jetzt zukommt.

Von Wolfgang Ehrensberger

Noch in der März-Umfrage zum Ökonomen-Barometer hatten sich die wirtschaftlichen Perspektiven für Deutschland deutlich aufgehellt. Im April knickt der exklusive Wirtschaftsindikator von €uro am Sonntag wieder ein. Vor allem die Konjunkturprognose für die kommenden zwölf Monate geht kräftig um 18 Prozent auf 20,6 Punkte zurück.

Die Einschätzung der aktuellen Lage kann sich mit 27,0 (Vormonat: 27,2) Punkten dagegen vergleichsweise stabil halten. Die Ergebnisse basieren auf einer monatlichen Umfrage unter führenden Volkswirten im deutschsprachigen Raum. Thema der April-Erhebung waren die umfangreichen Zollankündigungen von US-Präsident Trump insbesondere gegen China und die EU, auf die China bereits mit Gegenzöllen reagiert hat. Zwar hat Trump zwischenzeitlich die Zölle teilweise für 90 Tage ausgesetzt, doch die Unsicherheit bleibt.

Zwei Drittel der im Ökonomen-Barometer befragten Experten sind der Meinung, dass sich ein globaler Handelskrieg nicht mehr abwenden lasse. Immerhin ein Drittel sieht noch Chancen auf Normalisierung. Für den Fall der Eskalation rechnen die Experten mit gravierenden Folgen für die Weltwirtschaft: 44 Prozent der Befragten beziffern die erwarteten Wachstumseinbußen auf 500 bis 1.000 Milliarden Euro. Weitere 30 Prozent beziffern die Schäden sogar auf 1.000 bis 1.500 Milliarden Euro. Vier von fünf Teilnehmern befürchten zudem sowohl in den USA als auch in Deutschland eine Rezession. „Die flächendeckenden US-Zölle werden die Konjunktur spürbar eintrüben“, bringt Christian Schwens von der Uni Köln die Meinung der meisten Ökonomen auf den Punkt. In vielen Äußerungen wird aber auch darauf verwiesen, dass derzeit wegen der bestehenden Unsicherheit über Ausmaß und Dauer von Zöllen und Gegenmaßnahmen kaum eine konkrete Prognose möglich sei.

Hoffnung auf Kehrtwende

In einigen Beiträgen kommt die Erwartung zum Ausdruck, dass das Ausmaß der Schäden inzwischen schon so groß sei, dass es die Beteiligten zu einer Rücknahme oder Senkung von Zöllen bewegen könnte, wie es Donner&Reuschel-Chefvolkswirt Carsten Mumm formuliert. ZEW-Experte Friedrich Heinemann setzt zudem darauf, dass „die Welt jenseits der USA jetzt mehr Appetit auf Freihandel bekommt“. André W. Heinemann (Uni Bremen) erwartet wachsenden
Widerstand von US-Unternehmen und, dass „insgesamt der US-amerikanische Markt intervenieren wird“. Auch Albrecht Michler von der Uni Düsseldorf bleibt Optimist: „Mittelfristig lassen sich die US-Handelsbeschränkungen durch neue Absatzmärkte und Lieferketten kompensieren.“

Die Frage nach den möglichen Wachstumseinbußen für die globale Ökonomie bei einer Eskalation des Zollkonflikts lässt sich zwar wegen der vielen Unsicherheiten nicht einmal annähernd beantworten, dennoch ist es hilfreich, sich die Größenordnungen, um die es dabei geht, einmal vor Augen zu führen. Berenberg-Chefvolkswirt Felix Schmidt rechnet vor: „Das weltweite Bruttoinlandsprodukt (BIP) beträgt rund 100 Billionen Dollar. Im Extremfall erscheint ein Rückgang von durchschnittlich einem Prozent möglich, also 1.000 Milliarden Dollar.“ Während viele Volkswirtschaften davon weniger betroffen wären, könnten die Hauptakteure dieses Handelskriegs, die USA und China, mehr als ein Prozent ihrer Wirtschaftskraft ein büßen, so Schmidt.

Was die USA betrifft, so hält Volker Hofmann, Chefvolkswirt des Bankenverbands BdB, als „Basisszenario“ eine kräftige Abschwächung der US-Konjunktur für wahrscheinlich. „Zu einer Rezession sollte es aber nicht kommen. Gravierender sind ohnehin die langfristigen Folgen: Sowohl die Zollpolitik als auch die Migrationspolitik werden das Potenzialwachstum in den USA merklich senken“, sagt Hofmann. Während in den USA die Wirtschaft noch vergleichsweise rundläuft, treffen die Folgen des Zollkriegs die deutsche Wirtschaft bereits in einer längeren Schwächephase. Ein weiteres Abrutschen in die Rezession wird befürchtet.

Bleibt noch die Frage nach der Inflation. Hier erscheint den meisten Teilnehmern das Inflationsrisiko in den USA wesentlich größer als in Europa. Immer wieder kommt der Hinweis, dass es sich bei zollbedingten Preisanstiegen um vorübergehende Effekte handle, die von den Notenbanken nicht explizit bekämpft würden. In Europa rechnen einige Volkswirte außerdem mit preisdämpfenden Effekten, etwa durch schwächeres Wachstum oder steigenden Konkurrenzdruck aufgrund umgeleiteter Produkte.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert