ÖB 10/2024: „Ökonomen warnen vor Staatshilfen“

Das Ökonomen-Barometer stabilisiert sich. Bei einer Commerzbank-Übernahme oder den Problemen der Autoindustrie sollte sich der Staat den Experten zufolge raushalten.

Von Wolfgang Ehrensberger

Nach dem steilen Absturz im September hat sich das
Ökonomen-Barometer im Oktober gefangen und auf dem niedrigen Niveau des Vormonats stabilisiert. Die Einschätzung der aktuellen wirtschaftlichen Lage in Deutschland lag demnach bei 26,1 Punkten, ein Plus von 0,4 Prozent zum Vormonat. Die Prognose für die wirtschaftliche Entwicklung in den kommenden zwölf Monaten erholte sich um 5,5 Prozent auf 21,0 Punkte. Eine substanzielle Lageverbesserung zeichnet sich allerdings derzeit noch nicht ab. Darauf deuten auch die jüngsten Konjunkturdaten hin. Laut Statistischem Bundesamt fiel der Auftragseingang in der Industrie im August um 5,8 Prozent und damit deutlich stärker als von Ökonomen erwartet (minus 2,0 Prozent). Wegen der sich eintrübenden Stimmungsindikatoren zeichnet sich auch für das dritte Quartal ein
Rückgang der Wirtschaftsleistung (Bruttoinlandsprodukt, BIP) ab. Die Bundesregierung korrigierte am Mittwoch ihre BIP-Prognose für 2024 deutlich nach unten: So rechnet sie jetzt mit einem Minus von 0,2 Prozent (zuvor: plus 0,3 Prozent). Ökonomen wie Ralph Solveen von der Commerzbank rechnen erst 2025 wieder mit einer verhaltenen Wirtschaftsbelebung. Das Ökonomen-Barometer ist
eine Exklusiv-Umfrage von €uro am Sonntag unter führenden Ökonomen. Im Oktober befassten sich die Volkswirte unter anderem mit der Frage staatlicher Subventionen für die in einer schweren Struktur- und Absatzkrise steckenden DAX-Autokonzerne BMW, Volkswagen und Mercedes-Benz. 76,9 Prozent der Befragten und damit mehr als drei Viertel lehnen Subventionen für die Fahrzeughersteller demzufolge ab. 23,1 Prozent befürworten direkte Unterstüt
zungsmaßnahmen durch den Bund. „Die Autoindustrie muss sich selbst marktgerecht positionieren“, brachte Günter Franke von der Uni Konstanz die Mehrheitsmeinung auf den Punkt. „Andere große Länder wie die USA und China machen das auch“, erläuterte Dirk Ehnts von der TU Chemnitz aus dem Lager der Subventions-Befürworter. „Deutschland kann sich den Verzicht auf die Subventionierung von Elektroautos nicht leisten.“ Die Befürworter staatlicher Hil
fen nannten in erster Linie Kaufprämien für Elektroautos (26,7 Prozent) und steuerliche Anreize für Elektroautos als Dienstwagen (26,7 Prozent) als sinnvolle Hilfsmaßnahmen. Auf eine Zustimmungsquote von immerhin noch 20 Prozent brachten es Erleichterungen bei sogenannten Flottengrenzwerten, also den EU-Vorgaben zum CO2-Ausstoß. Dagegen fielen sogenannte Abwrackprämien für Verbrenner als Zuschuss zu einem neuen E-Auto praktisch durch. Die Zustimmungsquote lag hier bei nur 6,7 Prozent.

Ringen um die Commerzbank

Um einen weiteren DAX-Konzern ging es im zweiten Fragenkomplex: die mögliche Übernahme der Commerzbank durch Unicredit. Die italienische Großbank war im September im Zuge der ersten Privatisierungsschritte des Bundes beim zweitgrößten deutschen Geldhaus eingestiegen, hat ihren Anteil mittlerweile auf 21 Prozent ausgebaut und strebt eine Übernahme der
Commerzbank an. Das Commerzbank-Management unter der neu
en Chefin Bettina Orlopp will das Institut dagegen auf eigenständiger
Basis weiterentwickeln und profitabler machen. Während Befürworter einer
Übernahme auf die immer wiedergeforderte europäische Bankenkonsolidierung verweisen, sehen Gegner einer Fusion die Commerzbank als „kritische Infrastruktur“, die vor allem für die Kreditversorgung des Mittelstands hierzulande eine Schlüsselrolle spiele. In der Ökonomen-Barometer-Umfrage
wurde das Thema kontrovers diskutiert. Am Ende hielt eine Mehrheit von 60,4 Prozent eine Übernahme der Commerzbank durch Unicredit für sinnvoll, 39,6 Prozent sprachen sich dagegen aus.

„Groteske Behauptung“

Noch klarer fällt die Antwort auf die Frage aus, ob der Bund (rund
zwölf Prozent Anteil an der Commerzbank) eine Übernahme durch Unicredit verhindern sollte. Nur 12,5 Prozent der Teilnehmer sprachen sich für ein Dazwischengehen des Bundes aus. Eine deutliche Mehrheit von 87,5 Prozent will den Bund aus dieser Angelegenheit heraushalten. „Das ist nicht die Aufgabe der Politik, und die Behauptung der kritischen Infrastruktur ist grotesk“, erläuterte Thomas Apolte (Uni Münster). „Die Versorgung der deutschen Wirtschaft mit
Bankdienstleistungen steht in keiner Weise auf dem Spiel.“

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