ÖB 09/2021: „Ökonomen-Barometer: Note 3,4 für Angela Merkel“

Kritische Wirtschaftsbilanz der Kanzlerin. Volkswirte sehen Konjunktur skeptischer – aber noch keine Trendumkehr.

von Wolfgang Ehrensberger (zum Artikel auf TiAM Fundresearch)

Der steile Aufschwung der deutschen Wirtschaft seit Jahresbeginn ist im September zum Erliegen gekommen. Eine Trendumkehr Richtung Abschwung lässt sich allerdings nicht aus den aktuellen ­Ergebnissen des Ökonomen-Barometers von €uro am Sonntag für den September ablesen. Der Barometerstand zur aktuellen Lage verharrt nahezu bei 56,1 (Vormonat: 56,4) Punkten. Die Prognose für die wirtschaftliche Entwicklung in den kommenden zwölf Monaten geht um 4,2 Prozent auf 62,3 Punkte zurück, liegt aber noch weit über der 50er-Linie, die Stagnation anzeigt.

Damit haben die befragten deutschen Top-Ökonomen bereits zum zweiten Mal in Folge ihre Erwartungen an einen Konjunkturaufschwung in Deutschland zurückgeschraubt. Die Bewertung ist hier aber immer noch optimistischer als etwa beim ZEW-Index, der bereits zum vierten Mal in Folge zurückging. Vor allem Materialengpässe wie der Chipmangel, aber auch neue Pandemiesorgen drücken die Stimmung.

„Sie war stets bemüht“

Die Teilnehmer des Ökonomen-Barometers sollten diesmal eine Wirtschaftsbilanz der scheidenden Kanzlerin Angela Merkel ziehen und ihre Arbeit mit Schulnoten bewerten. Niemand vergab die Note „sehr gut“, 27 Prozent „gut“, 23 Prozent „befriedigend“, elf Prozent die Note „mangelhaft“ und fünf Prozent die Note „ungenügend“. Das ergibt einen Schnitt von 3,4 Prozent (noch „befriedigend“).

Während die Ökonomen bei den Themen Arbeitsmarkt, Steuern, Haushalt, Familien, Bildung und Außenpolitik weniger Anlass zu Kritik sehen, hinterlässt Merkel bei Digitalisierung, Infrastruktur, Energie, Umwelt, Klima und Sozialpolitik aus Sicht der Teilnehmer ihre größten Baustellen. „Sie war stets bemüht“, schrieb ihr Privalor-Vorstand Manfred Schweren ins Zeugnis. „Exzellentes Krisenmanagement bei vielen Krisen, aber kaum richtungsweisende Wirtschaftspolitik“, notierte ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski. Bei der Bundestagwahl am 26. September rechnen 34 Prozent der Volkswirte mit einer (schwarz-grün-gelben) Jamaika-­Koalition 30 Prozent mit einer Ampel (rot-gelb-grün). Schwarz-Grün sackt auf null (Vormonat 22) Prozent.