Der Indikator knackt erstmals seit zwei Jahren die 50-Punkte-Linie. Der Ausblick hebt so stark ab wie nie zuvor seit Beginn der Umfrage. Doch nun setzen Bremseffekte ein.
Von Wolfgang Ehrensberger (zum Artikel auf boerse-online.de)
Die deutsche Wirtschaft hat nach Einschätzung führender Ökonomen im Juni den Krisenmodus verlassen und schlägt einen dynamischen Wachstumskurs ein. Das ist das Ergebnis der Juni-Umfrage des Ökonomen-Barometers von €uro am Sonntag.
Das Barometer steigt demnach im Juni um 24 Prozent auf 52,2 Punkte und liegt damit erstmals seit August 2019 wieder über der 50-Punkte-Linie, die Wachstum signalisiert. Die Erwartungen für die kommenden zwölf Monate legen um 20 Prozent auf 64,8 Punkte zu (siehe Grafik unten). Zwar ist hier der Anstieg nicht mehr ganz so kräftig wie in den vergangenen Monaten, als das Prognoseplus stets größer war als das Plus der Bewertung der aktuellen Lage. Doch der Unterschied zwischen Stand (52,2) und Prognose (64,8) ist der größte seit Einführung des Ökonomen-Barometers im Jahr 2006 und zeigt die ausgesprochen positiv eingeschätzten Perspektiven für die wirtschaftliche Entwicklung.
„Nach einem ziemlichen wirtschaftlichen Fehlstart ins Jahr 2021 stehen die Chancen für ein konjunkturelles Happy End mittlerweile sehr gut“, äußerte sich Ludovic Subran, der Chefvolkswirt der Allianz-Gruppe, im Ökonomen-Barometer. So sollte der Dienstleistungssektor einhergehend mit den Corona- Lockerungen bereits im Mai zur Aufholjagd angesetzt haben. „In den kommenden Monaten ist – als Gegenbewegung zum Absturz in den Konjunkturkeller im vergangenen Jahr – mit einem positiven konjunkturellen Rekord nach dem nächsten zu rechnen.“ Ludovic rechnet mit einem „beispiellosen Konsumboom, angefeuert durch die aufgestaute Nachfrage in einem Kontext stark abnehmender wirtschaftlicher Unsicherheit“. Insgesamt erwartet der Allianz-Chefvolkswirt ein Wirtschaftswachstum von 3,4 Prozent für 2021 und 3,8 Prozent für kommendes Jahr.
Knappe Chips und Kurzarbeit
Dabei dürfte es allerdings auch eine ganze Reihe negativer Begleiterscheinungen geben. Beispielsweise Arbeitskräftemangel in jenen Sektoren, die im Corona-bedingten Winterschlaf gesteckt haben, wie Gastronomie oder Bau.
Auf einen weiteren negativen Effekt verweist das Ifo-Institut: Engpässe bei Microchips. Unternehmen wie Daimler und VW haben deshalb diese Woche Kurzarbeit für Tausende Mitarbeiter angemeldet. Ifo senkte wegen der Engpässe sogar die Wachstumsprognosen für die deutsche Wirtschaft: Für 2021 erwarten die Forscher nur noch 3,3 statt 3,7 Prozent Wachstum. Im nächsten Jahr könnte das Plus dann bei 4,2 Prozent liegen. Das Bundeswirtschaftsministerium geht mit seiner 2021er-Prognose dagegen weiterhin von vier Prozent aus.
„Die an sich kräftige Erholung, ausgelöst durch die Öffnungen, verschiebt sich etwas weiter nach hinten, als wir noch im Frühjahr erwartet hatten“, sagte Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser. Die Kosten der Corona-Krise für die Jahre 2020 bis 2022 liegen den Ökonomen zufolge bei 382 Milliarden Euro. Dabei wird angenommen, dass die Wirtschaft in dieser Zeit ohne Pandemie im Schnitt mit 1,2 Prozent gewachsen wäre.
Die Zahl der Arbeitslosen dürfte laut Ifo von 2,7 Millionen im vergangenen Jahr auf 2,4 Millionen im kommenden Jahr fallen. Bei der Inflation erwarten die Experte eine vorübergehende Beschleunigung: In diesem Jahr sollen die Verbraucherpreise im Schnitt um 2,6 Prozent steigen.