ÖB 10/2017: „Ökonomen-Barometer: Prognose erklimmt Allzeithoch“

Weder Brexit-Sorgen noch Katalonien- Krise können bislang den Konjunkturoptimismus in Deutschland bremsen. Das Ökonomen-Barometer von €uro am Sonntag und dem Nachrichtensender n-tv ist im Oktober weiter angestiegen und hat mit plus fünf Prozent auf 74,0 Punkte einen neuen Jahreshöchststand erreicht.

von Wolfgang Ehrensberger, €uro am Sonntag (zum Artikel auf finanzen.net)

Die Prognose für die wirtschaftliche Entwicklung in den kommenden zwölf Monaten hat sogar um zehn Prozent gegenüber dem Vormonat zugelegt. Mit 82,1 Punkten erreicht sie im Oktober 2017 den höchsten Wert seit dem Start dieser Erhebung im Dezember 2006. Einen Wert über 80 Punkte hatte es zuvor auch erst einmal gegeben: Im Februar 2011 mit 81,4 Punkten. Ihren Tiefststand hatte die Prognose dagegen während der Finanzkrise im März 2009 mit 14,26 Punkten erreicht.

Einwanderungsstrategie
Der Optimismus der Volkswirte deckt sich mit der Geschäftslage und den Investitionsplänen der Unternehmen. Doch es lauern auch Gefahren. Als Hauptrisiko sieht die Wirtschaft derzeit den Fachkräftemangel, wie eine Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertags DIHK soeben ergab. Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben forderte deshalb von der neuen Regierung Lösungen, um Fachkräfte aus dem Ausland ins Land zu holen und gezielt anzuwerben.

In diesem Zusammenhang hat sich auch FDP-Chef Christian Lindner für ein Einwanderungsgesetz ausgesprochen, das er jetzt zur Koalitionsbedingung machte. „Deutschland braucht eine strategische Einwanderungspolitik, die unsere humanitären Verpflichtungen mit den Interessen unseres Landes verbindet.“

In die Gespräche über eine Jamaika-Koalition gehen CDU, FDP und Grüne mit unterschiedlichen Vorschlägen, wie Deutschland mehr Fachkräfte aus dem Ausland anziehen kann. Während die CDU ein „Fachkräfte-Zuwanderungsgesetz“ im Blick hat, pochen FDP und Grüne auf ein umfassendes Einwanderungsgesetz, das mehr Transparenz schafft. Derzeit existiert jedenfalls ein selbst für Fachleute kaum noch durchschaubares Gewirr an Zugangsregelungen.

So sprechen sich auch 92 Prozent der im Ökonomen-Barometer befragten Experten für ein umfassendes Einwanderungsgesetz aus. Ebenso klar plädieren die Experten dabei für ein Punktesystem, das Kriterien wie Bildungsabschluss, Sprachkenntnis oder Berufserfahrung erfasst, wie es etwa in Dänemark oder Kanada zur Anwendung kommt. Auch eine Verpflichtung zu Deutschkenntnissen oder ein Modell mit zunächst nur befristetem Aufenthalt halten die Ökonomen für sinnvoll. Dagegen lehnen die meisten Experten konkrete jährliche Zuwandererkontingente als zu wenig flexibel ab. Für Zuwanderung losgelöst von einem konkreten Arbeits­angebot sprechen sich lediglich 21 Prozent der Befragten aus.

Altersgrenze 50
Juergen B. Donges (Universität Köln) etwa ist der Ansicht, dass sich mit einem quantitativ und qualitativ regulierenden Einwanderungsgesetz der konkrete Bedarf am Arbeitsmarkt besser decken ließe: „Wünschenswert wären dabei aber europaweit einheitliche Regelungen.“ Zudem sollten Donges zufolge von einem Einwanderungsgesetz „politisch Verfolgte nicht betroffen sein, für die das Asylrecht gelten muss; ebenso Menschen, die aus Kriegsgebieten fliehen, denen aus humanitären Gründen eine temporäre Aufnahme gewährt werden kann.“

Siegfried Franke (Universität Budapest) verweist neben kurzfristigem Arbeitskräftemangel auf das langfristige demografische Problem, das nur mit jungen, gebildeten Zuwanderern und deren Kleinkindern gelöst werde könne, „damit die Inte­gration so früh wie möglich beginnt“. Wilfried Fuhrmann (Uni Potsdam) schlägt Zuwanderungsmöglichkeiten bereits für fortgeschrittene Studenten vor, also ohne Arbeitsangebot; bei „Älteren“ dagegen nur mit Arbeitsangebot – und eine generelle Altersgrenze von 50 Jahren. Familiennachzug soll es erst nach zwei Jahren beruflicher Tätigkeit geben.

Gabriel Felbermayr von der LMU München hält es schließlich für wichtig, „dass die Zuwanderung nicht auf Hochqualifizierte beschränkt wird. Deutschland wird in Zukunft auch motivierte Immigranten am unteren Ende der Lohnskala brauchen.“

Die Stimmen der einzelnen Volkswirte lesen Sie hier! (PDF)