ÖB 12/2014: „Stimmung hellt sich wieder auf“

Die führenden deutschen Volkswirte bewerten die wirtschaftliche Lage hierzulande im Dezember wieder deutlich besser als im November. Im Ökonomen-Barometer von €uro am Sonntag und dem Nachrichtensender n-tv hat sich vor allem der Ausblick auf die kommenden zwölf Monate aufgehellt. Mit 49,5 Punkten liegt die Prognose um 24 Prozent über dem Vormonat. Das ist der beste Wert seit Juli dieses Jahres.

von Wolfgang Ehrensberger, Euro am Sonntag (Link zum Artikel auf finanzen.net)

Die Beurteilung der aktuellen Lage erreicht 50,1 Punkte, zehn Prozent mehr als im Vormonat. Damit liegt der Wert auch über der Linie von 50 Punkten, die Stagnation bedeutet. Auf eine Stabilisierung der Lage deutet auch der am Donnerstag veröffentlichte Ifo-Geschäftsklimaindex hin, der sich im Dezember bereits zum zweiten Mal in Folge verbessert hat nach zuvor sechs Ein­trübungen in Folge. Auch hier haben sich besonders die Erwartungen deutlich aufgehellt.

Inflationsrate bei 0,9 Prozent
Für 2015 erwarten die im Ökonomen-Barometer befragten Experten eine durchschnittliche Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts von 0,96 Prozent. Die Zahl der Arbeitslosen wird sich 2015 den Prognosen zufolge leicht auf durchschnittlich 2,78 (November: 2,72) Millionen erhöhen. Für Deutschland erwarten die Volkswirte eine Inflationsrate von durchschnittlich 0,9 Prozent, für die Eurozone von 0,6 Prozent. ­Juergen Donges (Uni Köln) rechnet in den Euro-Peripherieländern sogar vorübergehend mit negativen ­Inflationsraten.

Das geplante transatlantische Freihandelsabkommen Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP) soll den größten zollfreien Markt der Welt mit 800 Millionen Verbrauchern schaffen – und wird in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert. Bei den führenden Ökonomen fällt das Urteil zunächst ziemlich eindeutig aus: 82 Prozent stimmen der Aussage zu, dass das Abkommen dem Handel auf beiden Seiten des Atlantiks positive Wachstumsimpulse geben könnte. Insgesamt sprechen sich zwei Drittel der Befragten für eine Umsetzung des Abkommens aus, zehn Prozent sind explizit dagegen. Bei Detailaspekten wie dem sogenannten Investorenschutz herrschen allerdings zum Teil erhebliche Bedenken, dass sich in den Verträgen die Interessen der USA deutlich stärker widerspiegeln könnten als die der europäischen Seite. Verhaltener fallen auch die Antworten auf die Frage nach den Beschäftigungswirkungen aus. 44 Prozent erwarten, dass die Beschäftigung steigen wird, 38 Prozent sehen keine eindeutigen und 17 Prozent überhaupt keine ­Effekte. Ein Drittel der Befragten ­befürchtet, dass durch das TTIP ­europäische Umweltschutz-, Gesundheits-, Lebensmittel- und Sozialstandards ausgehebelt werden könnten. 43 Prozent sehen diese Gefahr nicht.

Zu den Skeptikern zählt Ulrich Blum (Uni Halle-Wittenberg). „Mich irritiert die damit seitens der USA durchsetzbare Informationsüberlegenheit. Das wird indirekt den Wettbewerb und die Freiheit einschränken.“ Thomas Gries (Uni Paderborn) befürwortet als Außenhandelsökonom grundsätzlich freien Handel, warnt aber vor drohenden Entgleisungen bei der konkreten Ausgestaltung des Investitionsschutzabkommens. „Ich fürchte eine Klageflut ­gegen europäische Regierungen als Geschäftsmodell“, so Gries. Für Stephan Klasen (Uni Göttingen) lautet deshalb die Konsequenz: „Investititonsschutz fallen lassen, dann ist am Rest von TTIP nichts auszusetzen.“

Martin Kocher (Uni München) wundert sich, dass über den Inhalt des Abkommens so viel spekuliert wird, obwohl bislang kein einziger Textentwurf bekannt ist.