ÖB 08/2025: „Wirtschaftsdaten: Wie zuverlässig sind sie eigentlich noch?“

Wirtschaftslage in Deutschland wird wieder skeptischer beurteilt. Ökonomen sehen Trumps Rauswurf der Arbeitsstatistik-Chefin als gefährlichen Präzedenzfall.

Von Wolfgang Ehrensberger

Die seit dem Frühjahr laufende Aufwärtsbewegung im Ökonomen-Barometer hat
im August einen Dämpfer bekommen. Die in der Exklusiv-Umfrage
von €uro am Sonntag befragten Volkswirte sehen die aktuelle wirtschaftliche Lage in Deutschland und die Perspektiven in den kommenden zwölf Monaten wieder skeptischer. So hat sich die Einschätzung der aktuellen Lage im August um elf Prozent auf 33,3 Punkte verschlechtert. Die Prognose für die kommenden zwölf Monate ging sogar um 28 Prozent auf 29,3 Punkte zurück. In den Vormonaten hatten sowohl Lagebeurteilung wie Prognose trotz des Zollstreits zwischen den USA und der EU noch deutlich zugelegt.

Während sich die Wogen im Zollstreit allmählich zu glätten scheinen, rücken jedoch verstärkt innenpolitische Themen in den Vordergrund. In der Wirtschaft verfliegt die Hoffnung, die nach dem Einzug von Friedrich Merz ins Kanzleramt
aufkeimte. Die 100-Tage-Bilanz der neuen Regierung fällt eher ernüchternd aus. Das Mega-Investitionsprogramm wird mit Mega-Schulden finanziert und kommt wohl nur einigen Branchen zugute, während dringend nötige Strukturreformen
sich nicht abzeichnen. „Die Bundesregierung kleckert, statt zu klotzen“, bringt es Dirk Ehnts von der TU Chemnitz auf den Punkt. „Auf den Optimismus des Investitionsprogramms folgt nun Realismus“, sagt ING-Chefvolkswirt Carsten
Brzeski.

Thema der August-Umfrage war die Entlassung der US-Arbeitsmark-Statistikchefin Erika McEntarfer durch US-Präsident Donald Trump. Viele Teilnehmer des Ökonomen-Barometers werteten diesen Vorgang als beunruhigendes Signal mit möglicherweise fatalen Folgen für die Verlässlichkeit statistischer Wirtschaftsdaten. Denn die US-Daten galten bislang aufgrund ihrer klaren Methodik, der Datenfrequenz, Verfügbarkeit und der politischen Unabhängigkeit als internationaler „Goldstandard“. So bewerten 90 Prozent der im Ökonomen-Barometer befragten Volkswirte die Qualität der US-Daten als gut oder sehr gut. Der Anteil mit „Sehr gut“-Bewertungen ist deutlich höher als bei der Beurteilung der Daten aus Deutschland.

„Bisher gab es kaum Zweifel an der Qualität der volkswirtschaftlichen Daten aus den USA“, erläutert Felix Schmidt, Leitender Volkswirt bei Berenberg. „Dass die Politik nun durch Personalentscheidungen ganz unverblümt in die Unabhängigkeit der Datenbehörden eingreift, gibt Anlass zur Sorge. Denn dadurch wird ein Präzedenzfall geschaffen.“ Auch Tim Krieger von der Uni
Freiburg sieht ein „beunruhigendes Signal“. „Wer die Statistikchefin feuert, weil die Zahlen nicht passen, gefährdet das Vertrauen in unabhängige Wirtschaftsanalysen – und bedient sich dabei Methoden, wie man sie sonst von Autokratien kennt.“ Michael Frenkel von der Otto Beisheim School of Management konstatiert bereits jetzt einen gravierenden Vertrauensverlust und bewertet die Qualität der US-Daten nur noch mit Note vier – ausreichend.

Bei der Beurteilung des Zahlen- und Datenmaterials aus Deutschland zeigen sich die befragten Ökonomen insgesamt zufrieden. Sie loben die Zuverlässigkeit (Manfred Schweren, Privalor AG), sehen jedoch auch noch Luft nach oben.
„Die Daten, die in Deutschland erhoben werden, sind in der Regel von sehr hoher Qualität und sehr verlässlich“, erläutert Berenberg-Volkswirt Schmidt. „Die Datenvielfalt ist jedoch deutlich geringer als beispielsweise in den USA.“

Schwieriger Datenzugang

Dem schließt sich Krieger von der Uni Freiburg an. „Das Statistische Bundesamt macht sehr gute Arbeit“, so Krieger. „Das Problem ist nicht diese Behörde, sondern der schwierige Zugang zu spezielleren Datensätzen selbst für wissenschaftliche
Zwecke durch einen rigiden Datenschutz, politischen Unwillen und föderale Zersplitterung der Datenquellen.“

Volker Nitsch von der TU Darmstadt zufolge entsprechen die Daten aus Deutschland nach Qualität und Verlässlichkeit internationalen Standards. „Verbesserungswürdig ist die Datenverfügbarkeit und -bereitstellung, insbesondere bei Mikrodaten.“ Der Vorwurf, dass Daten aus verschiedenen Gründen – unter anderem wegen Datenschutz – nicht zugänglich seien, taucht mehrfach auf. Nach Einschätzung vieler Teilnehmer wird auch die Ermittlung volkswirtschaftlicher Daten zunehmend schwieriger. ZEW-Experte Friedrich Heinemann sieht hier ein weites Feld, um bessere Methoden und Ausweitungsmöglichkeiten über künstliche Intelligenz voranzutreiben.

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